Kommentar vom Juli 2007

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Windows Vista - praktische Erfahrungen   

Seit Anfang Jahr ist Windows Vista erhältlich und wirbt mit einer ganz neuen Oberfläche Aero. Diese bietet halbtransparente Fenster und eine 3D-Ansicht der laufenden Programme. Ausserdem soll Vista das sicherste Windows aller Zeiten sein. Das neue File-System konnte trotz mehrmalingen Verschiebungen nicht integriert werden und wird sein Debüt vermutlich im Server 2008 nächstes Jahr geben.

Augenfälligstes Merkmal ist die neue Oberfläche, die den meisten Benutzern gefällt. Glänzende Knöpfe, halbtransparente Fensterrahmen mit Schatten und Sidebar mit Mini-Anwendungen. Das kann einem gefallen oder nicht, eine Steigerung der Produktivität ist kaum gegeben. Von den durchscheinenden Festern ist der Titel nicht lesbar und glänzende Knöpfe sind schlechter lesbar.

Die Sidebar kann mit Mini-Anwendungen bestückt werden, etwa einer Bahnhofsuhr, Wetterinfo und Schlagzeilen. Dies belegt aber einiges an Platz und eignet sich nur für Leute mit einem grossen Bildschirm. Auch wenn mann nur einen Teil der Sidebar benutzt, kann man keine Ikonen in den Streifen rechts legen. Wenn man das System länger laufen lässt ohne zu arbeiten, stellt man fest, dass die Bahnhofsuhr stehen bleibt und erst beim Berühren einer Taste wieder aktualisiert wird ...

Was wir vermissen ist ein virtueller Desktop, der die Arbeit mit vielen gleichzeitig geöffneten Programmen wirklich erleichtert. Solche Funktionen sind bei Linux und OS/2 Systemen seit Jahren Standard. Hier bieten Windowmanager wie Beryl oder Metisse - obwohl sicher auch verspielt - raffiniertere Funktionen mit mehr praktischem Nutzen.

Neu ist auch die Suchfunktion, basierend auf einem im Hintergrund erstellten Index. Damit kann man Dateien suchen, die dank Index auch rasch gefunden werden. Allerdings muss ich die Anfangsbuchstaben der Datei kennen, sonst findet man sie nicht. Wenn die Datei nicht gefunden wurde, kann man optional auch im Inhalt der Datei suchen lassen. So wurde eine Datei gefunden, in deren Text das Wort "Benchmark" vorkam.

Vista wird in 4 Versionen (!) ausgeliefert (in der EU sind es noch zwei weitere, jeweils ohne Media Player). Da stellt sich natürlich die Frage, welche Version ist die richtige für mich.

Die Unterschiede der vier Versionen

Auf der Website von Microsoft finden Sie eine Tabelle mit Merkmalen der einzelnen Versionen.

Hardware-Anforderungen

Bei Vista wurden viele Dinge neu gemacht. So wurde das ganze Start-Prozedere geändert, ein neuer IP-Stack (unterstützt auch IP V6) und neue Treibermodelle (z.B. WDDM Windows Display Driver Model) für die Bildschirmtreiber eingeführt. Dies dient zum einen den neuen visuellen Efekten und der Durchsetzung des DRM. Andere Anpassungen sollen die Sicherheit erhöhen.

Dies hat Konsequenzen für die Hardware: Die Ansprüche an die Grafik-Leistung, Grafik-Speicher, Hauptspeicher und Plattenplatz sind massiv gestiegen. Die Treiber vieler Grafik- und Soundkarten wurden nicht angepasst (von den Herstellern) und ein Neukauf dieser Komponenten ist oft zwingend.

Folgende Anforderungen sind unserer Meinung nach an die Hardware zu stellen (mindestens wenn die Aero-Oberfläche genutzt werden soll):

Während die Anforderung an Hauptspeicher und Festplatte kaum ein unlösbares Problem darstellen düften, sind die Einschräkungen bei der Grafikkarte und Soundkarte schon gravierender. Falls Video- oder Soundkarte on Board sind, hat man bei nicht ganz neuen Boards eher schlechte Karten: Der Boardhersteller wird den Aufwand scheuen, für bestehende Boards noch Treiber zu entwickeln. So lief bei unseren Tests auf einem ASUS K8V-X SE der ADI 1880 6 Channel Audio nicht und auf der Website von ASUS (immerhin kein kleiner Hersteller) gab es keine Vista-Treiber. Das Board wurde im August 2006 gekauft, war also nicht sonderlich alt.

Bei bestehenden Systemen sollte der Kauf einer neuen Grafik- und Soundkarte eingeplant werden. Hilfe bieten hier Informationen zur Hardware-Kompatibilität und ein Testprogramm (Vista Upgrade Advisor). Dieses Tool benötigt Windows XP SP2 oder Windows Vista (!).

Wenn Windows Vista installiert ist, wird eine Bewertung des Systems erstellt, die Auskunft darüber gibt, welche Komponenten wie leistungsfähig sind. Die Gesamtnote entspricht der niedrigsten Note aller Komponenten. Wenn diese mindestens 4.0 beträgt, können alle Funktionen inclusive Aero Oberfläche benutzt werden. Das Maximum heutiger Systeme liegt bei etwa 5.0, Top-Systeme können Werte über 5.0 erreichen.

Ein Beispiel: ein System mit folgender Hardware erhielt die untenstehenden Noten:

Das Resultat unter Systemsteuerung --> System und Wartung --> System zeigt folgendes an:

Ohne Aero-Effkte (auf die man getrost verzichten kann) genügt auch einfachere Hardware. So lief auf einem ThinkPad R32 (Pentium 4 Mobile 1.7 GHz, 1GB Ram und ATI Mobility Radeon 7000 mit 16 MB) einwandfrei und stabil, wenn auch nicht rasend schnell. Die Bewertung dieses Notebooks betrug 1 (wegen der Grafikkarte).

Kompatiblität

Da bei unseren Kunden Kommunikation sehr wichtig ist, haben wir natülich einige Test in diesem Gebiet gemacht. Um das Resultat vorweg zu nehmen: Die Kompatibilität ist erstaunlich schlecht. Wir empfehlen Ihnen dringend, ALLE Kommunikagtionsprogramme, welche sie benötigen zu testen! Sehr oft benötigen Sie neue Programme oder einen Upgrade. Hier eine Auswahl:

Insgesamt ist die Kompatibilität von Vista schlecht und zwingt zu recht vielen Upgrades/Neukäufen oder man kann liebgewordene Programme nicht mehr benutzen. Gefährdet sind auch viele Branchenanwendungen.

Sicherheit und Stabilität

Vista wird als besonders sicher beworben. Dies hat zwei unterschiedliche Aspekte:

Das erste Element ist sicher im Interesse des Benutzers, während das zweite dem Schutz der Autorenrechte von Film und Musik gilt. Beide Gesichtspunkte möchten wir kurz beleuchten.

Sicherheit von Vista

Der ganze Systemstart von Vista wurde umgebaut, vergangen sind boot.ini und ntloader. So soll verhindert werden, dass manipulierte Treiber geladen werden können.

Weiter wird die Registry geschützt. Viele (ätere) Programme tauschen via Registry Daten aus. Vista gaukelt diesen Programmen falsche Registry-Teile vor (die in den Benutzerdaten gespeichert werden). Dies reduziert das Zumüllen der echten Registry. Versucht ein Programm, etwas am System zu verändern, popt ein Fenster auf, in dem man [Fortsetzen] drücken muss. Wie wirksam das ist, wird sich zeigen. Die Fensterchen sind in jedem Fall lästig und man schaltet sie ab oder drückt unbesehen auf Fortetzen. Da man kein Administratorpasswort eingeben muss, befürchte ich, dass die Hacker recht schnell herausfinden werden, wie man das gleich automatisch erledigen kann.

Weiterhin benötigt werden Antivirus-Programme. Als Zusatz ist von Microsoft selber ein Paket OneCare erhältlich. Bei ersten Tests landete das Produkt aber auf den leztzten Rängen (je Platz 18 und 19), siehe auch Test in der Zeitschrift c't 5/2007. Vielleicht bleibt man doch besser bei den bewährten Programmen.

Als weiteres Szenario haben wir getestet, wieweit sich Vista auf einem Ersatz-System zum Laufen bringen lässt. Nehmen wir an, das Systemboard Ihres Vista PC's geht kaputt. Sie bauen ein neues Board ein, das geringfügig neuer ist. Wir transferierten die SATA-Festplatte mit dem fertig istallierten Vista mitsamt Grafikkarte und Hauppauge PVR-150-TV Karte von einem System mit dem ASUS-Board K8V-X SE auf ein ASRock AM2NF3-VSTA. Das ASRock Board ist etwas neuer (was in der Praxis wohl auch so wäre). Das Resultat: Vista kann nicht mehr starten und verlangt nach der DVD. Dort Gibt es eine Reparatur-Auswahl. Nach einigen Minuten kommmt die Meldung: "Die Starthilfe kann diesen Computer nicht automatisch reparieren". Eine solche Reparatur-Funktion ist schlicht unbrauchbar. Wenn man nun die Daten auf dem Disk retten will, muss man also wieder zu einer Linux-CD greifen.

Zum Vergleich: Ebenfalls mit Disk- und Grafikkartentausch verschoben wir ein OS/2 System (eCS 2.0) und das Betriebssystem startete ohne Probleme, lediglich der LAN-Treiber reklamierte, es war ja auch eine andere LAN-Hardware on Board. Nach dem Tausch des LAN-Treibers lief das System einwandfrei.

DRM - Digital Rights Management

Viel Aufwand wurde auf das DRM (Digital Rights Management) verwendet. Dies soll verhindern, dass vor allem HD-Video kopiert werden kann. In einigen Arktikeln wird beschreiben, dass alle 30 Millisekunden (150ms bei analog) (!) Video und Audiotreiber geprüft werden, ob sie manipuliert wurden. Das frisst viel Leistung und verschlechtert die Systemstabilität oft gravierend. Solcherart geschützt wird "Premium Content", wobei nicht klar definiert ist, was das ist. Mehr zum Thema finden Sie unter anderem im Artikel A Cost Analysis of Windows Vista Content Protection.

Videos oder Bilder mit hoher Auflösung werden von Vista auf 2 Arten "geschützt":

Wenn Sie also erst neulich eine Top-Stereoanlage mit S/PDIF (Sony/Philips Digital Interface Format) Anschluss gekauft haben, müssen Sie sich fragen, ob Sie das Geld nicht lieber gespart hätten: Wenn Sie eine HD-DVD, Blu-Ray Disk oder Super AudioCD abspielen, wird S/PDIF deaktiviert und Sie hören reine Stille. Analog ist wieder Trumpf!

Ziel war das Verhindern von unkontrollierten (Bootvorgang) Treibern, die dann wieder ein Umgehen von DRM erlauben würden. Allerdings kommt aus Russland die Kunde, dass diesese "Problem" bereits gelöst sei.

Auch die ganze Verschlüsselei von Video-Daten ist ein Unsinn. Es trifft vor allem die falschen Leute, die Filme und Programme legal gekauft haben und dann nicht in den Genuss der gewünschten Qualität kommen. Ausserdem ist das ganze zum Scheitern verurteilt, denn unsere Augen und Ohren arbeiten immer analog und können nichts entschlüsseln. So wird sich immer eine Lüke finden lassen. Es gibt auch bereits Berichte, wonach die Filmwiedergabe bereits geknackt wurde.

Das ganze Prozedere ist reiner Unsinn und ungeeignet, Kunden zu gewinnen. Eines ist sicher: Kauft jemand einen einzigen Film oder Musikträger und kann das Ding nicht abspielen, wird er/sie für lange Zeit nichts mit "HD" mehr kaufen.

Stabilität

Die Stabilität auf unseren Testsystemen fiel sehr unterschiedlich aus:

Registrierung

Die Registrierung ist ein "ongoing Process", also eigentlich nie abgeschlossen. Dazu benögt das System Zugriff zum Internet oder (bei grossen Installationen) zu einem firmeninternen Registrierungsserver. Da alles periodisch überprüft wird, kann es sein, dass eine Ihrer Komponenten oder Ihre Lizenz als gesperrt markiert wird. So können einzelne Komponenten (Adapter) oder Programme plötzlich deaktivert werden oder reduziert funktionieren. Falls Ihre Lizenz in Verdacht gerät (ob zu Recht oder nicht), müssen Sie Vista neu aktivieren. Nach Ablauf einer Frist können Sie Vista nur noch für eine Stunde und nur mit dem Internet Explorer nutzen. Startmenü und Taskbar sind weg. Dies können Sie übrigens selber nachlesen in den Lizenzbedingungen bei der Installation oder direkt bei Microsoft, "Reduced Functionality". Die Strategie ist erläutert unter Microsoft's Software Protection Platform.

Fazit

Die ersten Erfahrungen von Vista hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck. Die Stabilität ist je nach Hardwarkombination gut oder völlig ungenügend. Die Kompatibilität mit bestehender Software ist schlecht und oft gehen bei uns Anfragen ein, ob man zurück auf XP wechseln könne. (Ist übrigens möglich, falls Sie eine sogenannte Downgrade Option haben).

Die optischen Gags gefallen zwar einer Mehrheit von Benutzern, der praktische Nutzen davon ist aber gering: Was bringen halbtransparente Fenster, wenn man den Titel der dahinterliegenden Seite nicht lesen kann? Und eine 3D-Ansicht, die bei einer grösseren Anzahl laufender Programme nur einen Stapel Papier zeigt? Echte Neuerungen (mit praktischem Nutzen) sucht man eher vergebens, Virtuelle Desktops etwa oder Referenzkopien gibt es immer noch nicht. Immerhin merken nun die Verknüpfungen, wenn das Original verschoben wird (das konnte OS/2 schon vor 15 Jahren!). Dass ein optisch ansprechender Desktop - obwohl durchaus auch etwas verspielt - mit nützlichen Funktionen und viel weniger Hardware Ressource möglich ist, beweist der Mac mit Aqua und auch Linux mit Zusätzen wie Metisse (16 MB Grafikkarte genügt) und Beryl.

Ob die Sicherheit grösser ist, wird sich erst noch weisen. Dass man bei Systemanpassungen mit einem eher nervigen Pop-Up Fenster blästigt wird und dann doch kein Administratorpasswort eingeben muss, überzeugt wenig. Und dann haben die rund 10 Mal mehr Programme auf der Platte bei gleicher Qualität ein "Anrecht" auf mindestens 10 Mal mehr Löcher ...

Bleibt als Novität die neue Suchfunktion, die auch im Inhalt von Dokumenten suchen kann. Dies geht dank Index sogar ordentlich schnell. Umwerfen tut mich das aber nicht, so gab es eine Funktion PMseek unter OS/2 schon seit etwa 12 Jahren, die das auch kann, wenn auch langsamer, dafür ohne Index.

Insgesamt erhält man für das viele Geld (Vista ist teuer und verbraucht viel Hardwareressourcen) mehrheitlich wenig Nutzbringendes und man wird mit vielen Inkompatibilitäten eingedeckt. Vista, das schlechteste Windows seit Windows 98?



Mit freundlichen Grüssen
F. Hodel